Personen:
Knabe 1
Knabe 2
Pablo
José
Sergej
Mahmmud
Almira
Hobbygärtner
Erzähler

1. Akt Prolog

Wroaam, Wroaam.
Die Autos rasseln schneller vorbei, als man sie sehen kann. Nur das Geräusch, das Licht, ein schneller Farbstreifen matter Lack. Wir befinden uns mitten im Pfynwald, vor der Autobahn, die das Ober- mit den Unterwallis verbindet.

Erzähler: Die Föhre ist ein Lichtbaum. In stetem Bestreben nach Wachstum spriesst sie nach oben. Nur die höchsten Äste erhalten genügend Licht und erblühen in strahlendem Grün. Die Äste unterhalb der Baumkrone, versteckt im Schatten, verderben, werden kahl im Dunkeln, sterben.

1. Szene

Mahmmud: Wieso? Weshalb erhalten nur die Oberen das Licht, den Glanz, den Reichtum, von dem sie träumen, während die unteren ein Schattendasein fristen, unsichtbar?

Hobbygärtner: tritt neben Mahmmud Sei froh, dass du überhaupt hier, in unserem Garten Eden, sein kannst. Der Wald ist voll. Vor lauter Bäumen sieht man ihn schon nicht mehr.

Mahmmud: Die Unteren sitzen im Dunkeln, dürfen nicht gesehen werden im Dickicht? Obschon diese Äste den Baum tragen, ähnlich den verankernden Wurzeln, die nicht erkennbar in der schwarzen Erde eingeschlossen sind?

Hobbygärtner: Was weisst du schon? Wen interessiert das Unterholz, welches, Unkraut gleich, vor sich hin vegetiert.

Mahmmud: nach Luft schnappend Unkraut?

Hobbygärtner: Exoten und eingeschlepptes Zeug. Aber schlussendlich zählt, wem der Grund und Boden gehört, wer Hacke und Schaufel bedienen darf.

Mahummud: Sie Pestizidsprühwolke! -Was Sie da posaunen und postulieren…- Seien sie gewarnt: Wie man in den Wald hineinruft, so tönt es heraus!

2. Szene

Eine kleine Gruppe an Leuten sitzt auf einer Bank, alle rauchen. Ihre Gesichter sind ernst und müde. Zu ihren Füssen liegt der Pfynwald. Das Feuerzeug geht reihum.
Eine Frau in bescheidener Kleidung, schmutzige Sandalen, entzündet die Flamme:

Almira: nachdenklich hinunter blickend Man erzählt sich seltsame Sachen über diesen Pfynwald. Fürchterliche Mythen und Legenden, die sich zwischen den Föhren zugetragen haben sollen…

Sergej: Ach, die Einheimischen haben ihre Traditionen. Selbst heute sollen sie den Wald meiden.

José: Tja, nun haben sie ja diese Autobahn. Mit 200 Sachen wird dann durchgeblocht, da merkst du gar nichts von den Bäumen.

Almira: lächelnd hinzufügend Und ihren Geschichten. Mir solls recht sein, so habe ich wenigstens einmal in der Woche meine Ruhe, beim Spazieren.

Pablo: Apropos Mythen: Kennt ihr die Geschichte von Robin Hood? raunen Einem Mann, der mit seiner Bande in den englischen Wäldern hauste. Ein Räuber, ein Bandit, der die reichen Handelsleute bestahl, ja gar den König. Unermessliche Schätze, die er erbeutete, ein Gaunerleben. Am Abend schliefen seine Leute auf Kronen und Juwelen am Lagerfeuer.
Doch behielt er sein Vermögen nicht! Nein, er gab alles den Armen.

Die anderen blicken verklärt, Pablos Stimme wird lauter.

Pablo: Aber die Zeiten, meine Freunde, die Zeiten haben sich geändert:
Heute holen die Armen und Unterdrückten sich selber was sie brauchen!

Mohammed: Wir alle, wir sind Robin Hood! Licht im Dickicht des Pfynwalds! Das Unkraut beginnt aufzubegehren!

3. Szene

Zwei Jungen lassen die Füsse baumeln, sitzen auf dem Steinviadukt-Pfeiler nahe eines klaren, glitzernden Teichs über den Wipfeln des Pfynwaldes.
Autos brausen vorüber.

Knabe 1: Da fahren sie dahin. Führen ihre Schätze von der Düütschschiiz in die Romandie, von der Romandie in die Düütschschwiiz. Blicken nicht nach links, nach rechts. Nicht nach oben, nach unten.

Knabe 2: Nix sehen, nix hören, nix fühlen.

Knabe 1: Siehst du, wie beladen die Kofferräume sind?

Knabe 2: Ja, und erst die Rückbank… schüttelt nachdenklich den Kopf

Knabe 1: Oh, dort schaut noch eine Zweitwohnung aus der Hecktüre.

Sie klettern wieder herunter, die Bäume rascheln unter ihren Füssen, während sie durch den Wald streifen.

Knabe 2: Was machen sie bloss mit all dem Zeug? Wo stecken sie es hin?

Knabe 1: Keine Ahnung… Eigentlich kann man ja pro Mensch nur einen Mund zum Füllen haben.
Oder etwa nicht? Vielleicht haben die Reichen mehr Münder zu stopfen? Sie haben mehr als einen am Kopf?

Knabe 2: Ah, deshalb tragen sie diese Bänder um den Hals, die über das Hemd lappen. So schnüren sie sich den zusätzlichen Mund zu.

Knabe 1: Das man ihn nicht sieht?

Knabe 1: Genau, sie verstecken ihre Gier unter dem Hemdkragen.

2. Akt 1. Szene

Szenenwechsel. Eine Gruppe schleicht über die abgedunkelte Bühne. Alle in einer Reihe, jeder geht geduckt hinter dem Vordermann her. Im Hintergrund zeichnen sich Silhouetten der Föhren ab.

Mahmmud (Der Vorderste): Wer weiss den Weg? leuchtet mit einer Taschenlampe zu Boden

Ein Ruckeln geht durch die Schlange, jeder dreht sich nach dem Hintermann um, fragt, jedoch allgemeines Verneinen.

Mahmmud: Egal. Wir werden die Autobahn schon finden. Gehen wir den Lichtern der Scheinwerfer entgegen.

Almira (Zweit-vorderste): Was werden wir tun? Wie ist der Plan?

Wieder geht die Frage durch die Schlange. Niemand weiss eindeutig eine Antwort.

Mahmmud: Na was wohl? Wir werden uns zurückholen, was uns zusteht!

Ein Raunen. Jeder flüstert dem Hinteren die Versuchung zu.

Sergej (der Hinterste in der Schlange): leise flüsternd zum Publikum Wir holen uns zurück, was uns zusteht.

Mahmmud: Lauter!

Sergej: brüllt, rennt auf Bühnenrand zu Wir holen uns, was uns zusteht!

Die Schauspieler stürzen mit Gebrüll ganz plötzlich ins Publikum. Das Licht im Saal geht an, die Bühne wird dunkel. Die Zuschauer werden „bestohlen“.

2. Szene

Auf der dunkeln Bühne leuchten sich die Knaben mit ihren Smartphones den Weg über Baumstämme und Geäst.

Knabe 2: Nehmen wir an, diese Autofritzen haben mehr Münder. Sie können deshalb viel schneller essen.

Knabe 1: Fast Food?

Knabe 2: Geschwind wie Frösche die mit ihrer klebrigen Zunge die Happen anderen wegschnappen.

Knabe 1: Aber was rein geht, muss doch auch wieder raus. Ich glaub nicht, dass die ständig Durchfall haben.

Knabe 2: Nein, wohl trotzdem eher Verstopfung. Die wollen ja bestimmt nichts mehr abgeben und rauslassen.

Knabe 1: Kein Pups. Und irgendwann sterben sie an Bauchweh, weil die Verdauung überfordert ist.

Knabe 2: Am Arsch.

Knabe 1: Diese Füdlibürger! macht Furzgeräusch

3. Szene

Die Räuberbande kommt von ihrem Raubzug zurück, von den Zuschauerreihen auf die Bühne. Sie singen und johlen, ausgelassene Stimmung, während sie ihre Beute mit sich tragen.

Pablo: Kinder, heute wird gefeiert. Wir alle sind Robin Hood, der Pfynwald gehört uns. Kommt!

Alle verschwinden zusammen hinter ein grosses, weisses Tuch. Es wird von hinten beleuchtet, so dass die Umrisse der feiernden, tanzenden Menschen darauf fallen (Schattenspiel).

4. Szene

Der Hobbygärtner erscheint nochmals. Elegant hopsend und Pirouetten drehend, versprüht er Unkrautvernichter.

Hobbygärtner: So, nun herrscht wieder Ordnung im Garten.

Er bespritzt einen Busch Erdbeeren.

Hobbygärtner: Manchmal muss der kleine Mann selber die Initiative ergreifen, sonst wächst’s samt und sonders.

Nach getaner Arbeit setzt er sich schnaufend. Er ist zufrieden. Vor allem mit sich.
Seufzend greift er nach dem Erdbeerenstrauch, pflückt sich eine Beere.

Hobbygärtner: Ach, du süsse Frucht des Wohlstands.

Hebt die Erdbeere über seinen Mund und lässt sie genüsslich hineinfallen. Schluckt.

Hobbygärtner: Moment. stutzt Ist das nicht ein schwarzes Schaf? springt wie von Tarantel gestochen auf Habe ich diese nicht gerade eben selber besprüht, vergiftet? Die Süsse versalzen?

Greift sich an den Hals, versucht heraufzuwürgen.
Ein kurzer Todeskampf, ringen, dann fällt er tot um.
Dabei reisst er das weisse Tuch, dass hinter ihm hängt, herunter.

5. Szene

Die Räuber steigen verdutzt über seinen halb vom Tuch bedeckten, leblosen Körper.

Jose: Es scheint, als habe es über Nacht einen Kahlschlag hier im Pfynwald gegeben.

Almira: So zerreisst die Trennung zwischen oben und unten. Zu Grunde fällt kein Schatten mehr.

Knabe 1: Eine Lichtung mitten im Wald…

Pablo: Trittst im Morgenrot daher, sehen wir das Strahlenmeer.

Sergej: Endlich ist das Astwerk weg, man kann sogar den Himmel sehen.

Knabe 1: Die Berge, die Gipfel, die Satellitenstation.

Pablo: Dich, du hoch erhabene, herrliche…

Erzähler: fällt schnell ins Wort
Gerechtigkeit? Ausgeglichenheit? Belohnung? Oder einen Anfang? Aber, verehrtes Publikum, denkt bei all dieser Siegeseuphorie und Zufriedenheit an Eure eigenen Taschen. Steht Ihr jetzt nicht mit leeren Händen da? Wo ist Ihre goldene Uhr, Ihr schwarzer Filzhut, Ihre lederne Handtasche?
Muss man den einen immer zuerst etwas wegnehmen, damit die anderen einen vollen Magen kriegen? Meine lieben Autobahnfahrer und Schnellstrassenzuschauer, wollen Sie einen Holzschlag in Ihrem Portemonnaie?

Exodus

Erzähler: Der Pfynwald ist ein Lichtwald. Unter dem grössten zusammenhängenden Föhrenwald mitten in Europa fliesst neben frischen Rohnewasser Erdgas von Putin nach Berlusconi. Über sechsundzwanzig verschiedenen Libellenarten kreist der mächtige Bartgeier.
Von oben sieht man nur die Baumkronen. Die Sonnenstrahlen wärmen die Wipfel. Die Stämme der Gesellschaft bleiben im Dunkeln.

Erzähler: Vielen Dank. Beim internationalen Gerichtshof in Strassburg kriegen Sie nun Ihre Wertsachen zurück. Als Schadenersatz für den Diebstahl erhalten Sie eine Erdbeere.

Die Schauspieler verteilen das „Diebesgut“ wieder an die Zuschauer.

Verbeugung und frenetischer Applaus.

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